Gendergerechte SpracheImmer noch ein Thema?!

Geschlechtergerechte Sprache im Hochschulalltag und ihre gesellschaftliche Bedeutung

Anfang Juni 2022 erreichte uns die Mail einer Studentin der Universität zu Köln, die aktuell den Umgang der öffentlichen Verwaltung mit einer geschlechtergerechten Sprache untersucht. Bei ihren Recherchen ist sie auf der Homepage der HSPV NRW auf den Flyer der Gleichstellung gestoßen, in dem Empfehlungen für eine sprachliche Gleichstellung der Geschlechter für die interne und externe Hochschulkommunikation festgeschrieben sind.

Mit Verwunderung stellte sie jedoch fest, dass die ebenfalls auf der Homepage abrufbaren prämierten Bachelorarbeiten diesen Vorgaben nur zum Teil entsprachen. Dieser Umstand veranlasste sie, mit der HSPV NRW Kontakt aufzunehmen, um zu fragen, wie es um die gendergerechte Sprache im Hochschulalltag bestellt sei.

Das Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern für das Land Nordrhein-Westfalen trifft in § 4 dazu eine klare Regelung:

 
„Gesetze und andere Rechtsvorschriften tragen sprachlich der Gleichstellung von Frauen und Männern Rechnung. In der internen und externen dienstlichen Kommunikation ist die sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern zu beachten. In Vordrucken sind geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen zu verwenden. Sofern diese nicht gefunden werden können, sind die weiblichen und die männliche Sprachform zu verwenden.“


In der Arbeitshilfe zum wissenschaftlichen Arbeiten der HSPV NRW wird diese gesetzliche Vorgabe aufgegriffen und bezieht sich damit auch auf jeden Leistungsnachweis in Form von Haus-, Seminar- und Bachelorarbeit. Um allen Hochschulangehörigen die Umsetzung einer gendergerechten Sprache zu erleichtern, wurde der Flyer „Gendergerechte Sprache an der HSPV NRW“ entwickelt, gedruckt und in Umlauf gebracht. Dieser enthält übrigens verschiedene Möglichkeiten, gendergerecht zu formulieren.

Warum sollen wir gendergerecht formulieren? Eine sprachliche Repräsentation von Frauen führt zu mehr gesellschaftlicher Sichtbarkeit. Sei es in der Vorgangsbearbeitung oder bei der Erstellung wissenschaftlicher Arbeiten. Sprache spiegelt unsere Wahrnehmung der Welt wider und gleichzeitig beeinflusst sie die Art und Weise, wie wir denken. Daher ist eine geschlechtergerechte Sprache ein Baustein gelebter Gleichstellung. Der Flyer soll einen Anstoß geben und eine Unterstützung bei der Umsetzung einer gendergerechten Sprache sein.

Weiterhin ist gut belegt, dass wir bei gendergerechten Formulierungen tatsächlich mehr an Frauen denken als bei maskulinen Formen. Werden Gruppen durch genderneutrale Formen bezeichnet, wird der Frauenanteil einer Gruppe höher geschätzt und prototypische Gruppenmitglieder werden eher als Frauen identifiziert als bei rein männlichen Gruppenbezeichnungen (vgl. zum Beispiel Braun/Sczesny/Stahlberg 2005).

Gendergerechte Sprache führt zu mehr Aufmerksamkeit für die Gleichstellung und das erfordert zuweilen einen etwas höheren Aufwand in der sprachlichen Präzision. Ein Bonbon für diesen Befund ist folgende Rechtsthematik:

§ 36 StVO regelt „Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten“. In Absatz 1, Satz 1, heißt es: „Die Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten sind zu befolgen.“ Was ist nur mit den Zeichen und Weisungen von Polizeibeamtinnen? Der Münchener Kommentar zum StVR (1. Auflage 2016, Beck-online) erläutert dies irritierenderweise und unseres Erachtens unzulässig ausgelegt so:
 

„Zeichen und Weisungen von Polizeibeamtinnen sind seit der StVO-Neufassung von 2013 straßenverkehrsrechtlich ohne jede Rechtswirkung. Denn die gesamte StVO wurde mit dieser Novelle mit großem Aufwand (und vielfach bis an die Grenze zur sprachlichen Unverständlichkeit) geschlechtsneutral umformuliert. Das ist vom Gesetzgeber auch so gewollt gewesen. In § 36 heißt es seither jedoch ausdrücklich, den Zeichen und Weisungen von ‚Polizeibeamten‘ sei zu folgen. Nach Wortlaut, Systematik und historischer Auslegung sind damit Polizistinnen nicht gemeint.“


Wer meint, dies sei eine Posse, lese selbst nach.

Als Angehörige der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW sollten wir genau bezeichnen, was wir meinen und gendergerecht formulieren. Damit wären wir wieder am Anfang unseres Beitrags angelangt und erkennen, gendergerechte Sprache ist immer noch ein Thema!

Informationen und Beispiele zur sprachlichen Gleichstellung der Geschlechter.
Flyer Gendergerechte Sprache