Sicher im StraßenverkehrAuftaktveranstaltung des Netzwerks
Land NRW stellt neue Initiative für mehr Sicherheit im (…)
Verkehrsunfallopfer im Mittelpunkt
Die Sicherheit im Straßenverkehr ist ein wichtiges gesellschaftliches Thema. Deshalb standen Verkehrsunfallopfer im Mittelpunkt, als Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul am 18. März 2024 die Unfallbilanz für das Jahr 2023 vorstellte.
In einem Videobeitrag sahen die Teilnehmenden im Düsseldorfer Innenministerium zunächst einen Notarzt, der zu einem Einsatz mit einer eingeklemmten Person gerufen wurde: „Der Getötete war mein Schwager. Getötet deshalb, weil ein anderer Verkehrsteilnehmer von seinem Handy abgelenkt war.“ Eine Mutter schilderte: „Meine Tochter Angelina ist bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Anstelle ihres 14. Geburtstags mussten wir ihre Beerdigung ausrichten.“ Ein Mann berichtete: „Es war kurz nach Weihnachten, die Polizei stand vor der Tür. Die Beamten sagten mir, dass mein Onkel und meine Tante bei einem illegalen Autorennen vor der eigenen Haustür überfahren worden sind. Als wir die Wohnung der beiden betraten, lagen noch die Weihnachtsgeschenke ausgepackt auf den Tischen.“
Minister Reul resümierte dazu: „Diese Menschen haben eines gemeinsam. Sie können ihr Leben in ein davor und in ein danach unterteilen, indem sich alles verändert hat: ein schrecklicher Verkehrsunfall.“ Wenn über Statistiken gesprochen wird, versachlichen sich die menschlichen Schicksale und die schrecklichen Erlebnisse häufig – „und die Hinterbliebenen trauern“. Die Menschen, die sich für die Bekanntgabe der Unfallentwicklung des Jahres 2023 vor die Kamera gestellt haben, verdeutlichten noch einmal, wie wichtig das Thema ist.
In der Verkehrsunfallentwicklung 2023 gebe es Licht und Schatten, führte der Minister aus. Insgesamt hat es im Jahr 2023 rund 640.000 registrierte Verkehrsunfälle auf nordrhein-westfälischen Straßen gegeben. Das ist eine Zunahme um 4,5 % zum Vorjahr. In NRW wurden 2023 im Straßenverkehr 450 Menschen getötet (zwei Getötete weniger als 2022) und 11.132 schwer verletzt. Damit registrierte die Polizei einen Rückgang von 12 % bei den Schwerverletzten.
Eine negative Entwicklung gab es bei den Fußgängern. Die Zahl der Getöteten stieg 2023 gegenüber dem Vorjahr um 55 % auf 101 Personen, die durch einen Zusammenprall mit einem Kfz ihr Leben verloren haben. „Jeder von uns kann schnell ein Unfallopfer werden”, so der Minister. In 41 % der Fälle seien die Getöteten selbst die Verursacher gewesen. Vielleicht hatten sie die rote Ampel nicht gesehen oder dachten, das heranfahrende Auto sei noch weit genug entfernt oder langsamer. Auch Alkohol sei bei einigen Fußgängern festgestellt worden. Der Anstieg kann auch damit zusammenhängen, dass viele Menschen häufig abgelenkt sind, zum Beispiel durch das Handy. Dies ist nicht nur bei Autofahrenden ein Problem, sondern auch bei Fußgängern.
Die Polizei stellte 881 Unfälle fest, bei denen die Ursache Drogen oder andere berauschende Mittel waren – so viele wie noch nie. Zudem zählte die Polizei mehr Drogentote als im Vorjahr. 2023 kamen zehn Menschen bei einer Drogenfahrt ums Leben. Minister Reul: „Man braucht kein ausgewiesener Verkehrsexperte zu sein, um zu prognostizieren, wie sich die Verkehrsunfalllage entwickeln wird, wenn das Kiffen legal wird. Die Legalisierung von Cannabis wird zu mehr Unfalltoten führen.“
Im letzten Jahr registrierte die Polizei 2.144 verbotene Kfz-Rennen. So viele wie noch nie. 526 davon endeten mit einem Verkehrsunfall. Dabei handelt es sich um die höchste Zahl seit der Einführung des Straftatbestands. Seitdem die verbotenen Kfz-Rennen erfasst werden, steigt die Zahl von Jahr zu Jahr. 2023 gab es drei Getötete.
Die Leiterin des Verkehrsreferats im Innenministerium, Maria del Carmen Fernandez Mendez, hob hervor: „Jeder Tote ist einer zu viel. Rund um die Uhr sind Polizistinnen und Polizisten auf der Straße für das Leben jedes Einzelnen im Einsatz. Unter dem Hashtag LEBEN haben wir unsere Strategie für mehr Sicherheit auf den Straßen, Radwegen und Autobahnen neu ausgerichtet. Der Begriff bringt die Anstrengungen der Polizei, schwere Verkehrsunfälle zu reduzieren, auf den Punkt. Unfälle zu vermeiden, ist aber nicht allein eine Pflichtaufgabe der Polizei. Alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer sind für das Leben auf unseren Straßen verantwortlich – alle tragen Verantwortung.“
Infografiken zur Verkehrsunfallentwicklung in NRW sind am Ende des Artikels beigefügt.
Bis 2050 soll in der EU niemand mehr im Straßenverkehr ums Leben kommen. Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände haben sich das Ziel gesetzt, die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland von 2021 bis 2030 um 40 % zu reduzieren und die Zahl der Schwerverletzten signifikant zu senken. 2023 wurden in Deutschland 2.830 Menschen im Straßenverkehr getötet und 52.675 schwer verletzt. Das sind gegenüber 2020 insgesamt 4 % mehr Getötete und 9 % weniger Schwerverletzte.
Diese Entwicklung macht deutlich: Die angestrebten Ziele werden voraussichtlich nicht erreicht. Sofern nicht größere Anstrengungen unternommen werden, dürften die mittel- bis langfristigen Pläne bei der Verkehrssicherheit nicht zu realisieren sein.
Die HSPV NRW hat in Kooperation mit der Verkehrsunfallopferhilfe und unter Schirmherrschaft von Minister Reul am 29. September 2023 am HSPV-Studienort Duisburg zum Thema „Vision Zero konkret – Schwere Unfälle und Unfallprävention“ den 21. Deutschen Verkehrsexpertentag ausgerichtet. Der Kongress gab Anregungen und Antworten darauf, was in Deutschland konzentriert unternommen werden sollte, damit kein Mensch im Straßenverkehr getötet oder schwer verletzt wird. Tagungsberichte und Präsentationen sowie ein themenbezogenes Kompendium können über die Website der HSPV NRW zum Download abgerufen werden.