Der Welt gegenüber offen seinHSPV NRW europäisch und international

HSPV NRW europäisch und international
HSPV NRW europäisch und international

Wie wird die HSPV NRW ihrem Auftrag gerecht, Weltoffenheit im Hinblick auf den Aspekt der ethnischen, kulturellen und / oder herkunftsbedingten Vielfalt an der Hochschule zu fördern?

Weltoffenheit ist eine (innere) Haltung, die Fremdverstehen ermöglicht und Frieden fördert. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird Weltoffenheit als Wertschätzung von Vielfalt und einer diversen Gesellschaft verstanden. Neben den Dimensionen des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, des Alters, der Religion und der körperlichen und/oder seelischen Hilfsbedürftigkeit gilt die ethnische Herkunft und Nationalität als ein Kernaspekt von Diversität. Laut Art. 4 der Allgemeinen Erklärung der UNESCO zur kulturellen Vielfalt ist die Verteidigung kultureller Vielfalt ein ethischer Imperativ, der untrennbar mit der Achtung der Menschenwürde verknüpft ist. Weiter stellt die UNESCO in Art. 11 der gleichen Erklärung fest, dass sich die Erhaltung und Förderung kultureller Vielfalt als wichtiger Schlüssel zu einer nachhaltigen menschlichen Entwicklung erweist. Die Förderung von Weltoffenheit ist demnach nicht nur eine mögliche Vorliebe Einzelner, sondern auch eine gesellschaftliche Notwendigkeit für den sozialen Zusammenhalt, die Vitalität der Zivilgesellschaft und den Frieden. Wie wird die HSPV NRW als Hochschule des öffentlichen Dienstes ihrem Auftrag gerecht, Weltoffenheit im Hinblick auf den Aspekt der ethnischen, kulturellen und/oder herkunftsbedingten Vielfalt an der Hochschule zu fördern? Hierzu möchte ich als Vorsitzende der Kommission für Europa und Internationales und im Einklang mit ihren vom Senat bestellten Mitgliedern im Folgenden Stellung nehmen.

Durch anwendungsbezogene Lehre bereitet die HSPV NRW ihre zunehmend diversen Studierenden auf ihre berufliche Tätigkeit in Polizei und Verwaltung vor, sodass sie zu verantwortungsvollem Handeln in einem vielfältigen demokratischen und sozialen Rechtsstaat befähigt werden. Angesichts der Anforderungen in einem zusammenwachsenden Europa, einer zunehmend globalisierten und krisengeschüttelten Welt baut die HSPV NRW dafür auch ihre internationale Ausrichtung kontinuierlich aus. Die Internationalisierung des Studiums auf unterschiedlichen Ebenen wird als Investition in die Zukunft und als Mittel zur Qualitätssteigerung in Lehre und Forschung durch Mobilität und grenzübergreifende Zusammenarbeit angesehen. Darüber hinaus ist es nach dem Gesetz über die Fachhochschulen für den öffentlichen Dienst im Lande NRW (FHGöD) unter anderem auch Aufgabe einer Hochschule, die internationale, insbesondere die europäische Zusammenarbeit im Hochschulbereich und den Austausch zwischen deutschen und ausländischen Hochschulen zu fördern. Ebenfalls betonen die Akkreditierungsagenturen in ihren Gutachten zu den Bachelorstudiengängen die Notwendigkeit und Bedeutung der Kooperation von Bildungsträgern in einer europaweiten Hochschullandschaft. Kontinuität und Verlässlichkeit von internationalen Kooperationen erfordern jedoch eine personenunabhängige und institutionalisierte Ausgestaltung sowie angepasste organisatorische Rahmenbedingungen.

Nicht nur angesichts der Anzahl der in NRW und im übrigen Deutschland lebenden Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund und internationaler Geschichte, der interkulturellen Öffnung des öffentlichen Dienstes, sondern auch im Hinblick auf die Persönlichkeitsentwicklung jeder (zukünftigen) Mitarbeiterin/jedes (zukünftigen) Mitarbeiters, ist die Stärkung der Offenheit gegenüber Menschen unterschiedlicher kultureller, ethnischer beziehungsweise nationaler Herkunft eine Schlüsselaufgabe für die Hochschule. Hier kommt den verschiedenen Gremien der Hochschule eine besondere Verantwortung zu, denn sie gestalten das Studium in einem kontinuierlichen Prozess nicht nur strategisch, sondern auch inhaltlich und methodisch aus und entwickeln es weiter.

Für die strategische Ausrichtung hat der Senat der Hochschule die Kommission für Europa und Internationales eingesetzt. Sie hat die Aufgabe, über Art und Umfang bestehender Initiativen, neuer internationaler Kooperationen sowie über die Beendigung von Kooperationen zu beraten. Dies geschieht gemeinsam mit den beiden Beauftragten für Europa und Internationales des jeweiligen Fachbereichs sowie der Vertreterin des International Office. Über das Ergebnis der Beratungen gibt die Kommission eine Empfehlung an den Senat der HSPV NRW ab. Aktuelle Themen sind zum Beispiel die Frage, ob Hochschulkooperationen nur dann für sinnvoll erachtet werden können, wenn sie sich auf den europäischen Raum und hier insbesondere auf das grenznahe Ausland beziehen oder ob Kooperationen über Europa hinaus für die Förderung von Weltoffenheit innerhalb des Auftrags der HSPV NRW zielführend sind. Ganz konkret hat die Kommission für Europa und Internationales auch über ein Budget zu entscheiden, mit welchem verschiedene internationale Aktivitäten gefördert beziehungsweise unterstützt werden.

Neben der strategischen Ausrichtung ist auch die inhaltliche Orientierung der Studieninhalte im Hinblick auf Europäisierung und Internationalisierung erforderlich. Die schon jetzt sehr umfangreichen Studieninhalte werden in einem komplexen und fortschreitenden Prozess in den Fachbereichsräten PVD und AV/R ständig weiterentwickelt, um die zukünftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes für verantwortungsvolles Handeln in einem vielfältigen demokratischen und sozialen Rechtsstaat zu befähigen. Module wie Staats- und Europarecht, Interkulturelle Kompetenz und Business English für die Verwaltung fördern schon jetzt eine Haltung der Weltoffenheit. Gleichwohl bleiben die Überprüfung und Erweiterung der Studieninhalte mit internationalem und/oder europäischem Bezug eine wichtige Aufgabe. Um diese zu bündeln, hat jeder Fachbereich eine/n Beauftrage/n für Europa und Internationales benannt. Dies sind aktuell EPHK Michael Otting für den Fachbereich Polizei und Prof. Dr. Matthias Einmahl für den Fachbereich AV/R.

Methodisch wird Weltoffenheit im Hinblick auf den Aspekt der ethnischen, kulturellen und/oder herkunftsbedingten Vielfalt an der HSPV NRW auf unterschiedliche Weise begünstigt. Während persönliche, soziale und interkulturelle Kompetenzen in praxisbezogenen Modulen eingeübt und reflektiert werden, gibt die Lehre einzelner Module auf Englisch die Möglichkeit, eigene Sprachkompetenzen zu erweitern. Des Weiteren werden in interdisziplinären Veranstaltungen zum Beispiel mit Ethnologen der Universität Münster oder der Universität zu Köln Perspektiven der qualitativen Feldforschung des ‚Fremden‘ erkundet, reflektiert und erprobt (siehe unter anderem Veranstaltungen von Prof. Dr. Frauke Kurbacher oder Prof. Dr. Gisela Pauli Caldas).

Ein wesentliches Werkzeug sind auch Begegnungen von Hochschulangehörigen der HSPV NRW mit Institutionen, Partnern und Studierenden aus dem europäischen oder auch in Ausnahmen außereuropäischen Ausland. Hier ist das prominenteste Beispiel das Austausch-Programm im Rahmen von ERASMUS. Daneben gibt es Summer Schools, die in den jeweiligen Fachbereichen zum Teil schon seit mehreren Jahren mit festen Kooperationspartnern bestehen. Hier kommt es zu einem zeitlich und örtlich verdichteten Austausch, zu Perspektivwechseln und der Gewinnung von neuen Erkenntnissen. Ganz im Sinne des deutschen Wortes der Er-fahr-ung bedürfen neue Erkenntnisse einen tatsächlichen oder gedanklichen ‚Ortswechsel‘. Erst dann können andere Perspektiven eingenommen und der eigene Standpunkt aus einer Entfernung betrachtet werden.  Exkursionen (wie zum Beispiel zum Europa-Parlament) oder Studienfahrten (wie zur Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem in Israel oder zu den Vereinten Nationen nach New York) haben hier eine wichtige Funktion.

Aktuell unterhält die HSPV NRW ca. 20 europäische und außereuropäische Hochschulkooperationen. Die letzteren (mit Brasilien, China und Russland) ruhen jedoch momentan zu Gunsten des stärkeren Fokus der jetzigen Kommission für Europa und Internationales auf das von ERASMUS vernetzte Europa. Weltoffenheit als Haltung sollte dennoch als Toleranz und Offenheit gegenüber der ganzen Welt und ihrer Vielfalt gepflegt werden. Im Rahmen von ERASMUS bestehen zwischen dem Fachbereich AV/R der HSPV NRW und entsprechenden Fachbereichen an europäischen Partnerhochschulen Kooperationsverträge (‚Inter Institutional Agreements‘), in denen pro Studienjahr der Austausch von jeweils zwei bis vier Studierenden und in manchen Fällen auch der Austausch von akademischem und nichtakademischem Personal vereinbart ist. Die aktuellen Kooperationspartner sind auf der Homepage im Bereich International zu finden. Weitere Kooperationen werden angestrebt. In diesem Jahr haben sich im Rahmen von ERASMUS ca. 100 Studierende auf die ca. 35 angebotenen Plätze an Kooperationshochschulen beworben, jedoch ist in diesem Studienjahr aktuell kein Studierender aus dem Ausland an der HSPV NRW. Da Kooperationen auf Gegenseitigkeit beruhen, ist es angesichts verschiedener Charakteristika des Studiums (Duales Studium, Wohn- und zum Teil auch Einstellungsbehörden der Studierenden oft nicht identisch mit Studienorten, Deutsch als vorrangige Lehrsprache, eingeschränktes Campusleben, Studieninhalte spezialisiert auf nordrhein-westfälische oder bundesdeutsche Gegebenheiten usw.) eine Herausforderung, Studierende aus dem Ausland an die HSPV NRW zu holen (‚incoming‘) wie Studierende von der HSPV NRW ins Ausland entsendet  werden (‚outgoing‘).

Um diesem Ungleichgewicht entgegen zu wirken und die Spezifika des Studiums zu berücksichtigen, ist das Format der Summer School aufgegriffen worden. Während es schon seit vielen Jahren Summer Schools im Fachbereich Polizei gibt (die jährlich mit den Hochschulen in Wales und Apeldoorn nun unter der Leitung von Herrn Prof. Dr.  Grutzpalk durchgeführt werden) und für den Fachbereich AV/R ähnliche Formate im Ausland stattgefunden haben (jedoch bisher immer nur mit jeweils einem Kooperationspartner aus Italien, Rumänien, Polen und Russland), ist eine Summer School im Fachbereich AV/R im Sommer 2022 zum ersten Mal an der Abteilung Köln abgehalten worden. In diesem Pilotprojekt haben sich ca. 25 Studierende von zwei Kooperationspartnern und der HSPV NRW unter der Leitung von Dr. Thomas Weiler mit den Nachhaltigkeitszielen der UN beschäftigt. Verbunden mit Exkursionen, Führungen und Vorträgen von Experten war die Begegnung der aus der Türkei, Italien und verschiedenen Abteilungen der HSPV NRW kommenden Studierenden ein Erfolg, auf den im nächsten Jahr aufgebaut werden will. Das intensive Format erlaubt es, die Begegnung und den Austausch der Studierenden zu fördern.

Weitere Formate sind geplant, an denen sich Studierende der HSPV NRW mit An- oder Einbindung ausländischer Akteure Fragen der Europäisierung und Internationalisierung widmen: Aktuell bereiten die Professoren Frevel und Preistrupp ein Projekt vor, in dem zusammen mit Studierenden und Lehrenden der FH Campus Wien eine internationale Perspektive auf Nachhaltigkeit als Aufgabe der staatlichen und kommunalen Verwaltung geworfen wird. Im gleichen Projektzeitraum plant Frau Dr. Kleinschmidt ein Projekt zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Kommune Niedeggen, Frau Prof. Dr. Möltgen-Sicking ein Projekt zur Erstellung eines Konzepts zur Europäisierung des dualen Studiums im Kommunalen Verwaltungsdienst an der HSPV NRW und zur grenzüberschreitenden Vernetzung des HSPV-Studienortes Aachen und Frau Prof. Dr. Pauli Caldas ein Projekt zur Steigerung der Attraktivität der HSPV NRW für ERASMUS-Incomings.

Auslandspraktika sind ebenfalls ein methodisches Format mit viel Potenzial für die Förderung von Weltoffenheit. So sind zum Beispiel die Niederlande mit ca. 400 Kilometer gemeinsamer Staats- beziehungsweise Landesgrenze im polizeilichen Alltag der für die nordrhein-westfälische Polizei wichtigste europäische Partner. Neben der Arbeit an der Wiederaufnahme in der Vergangenheit schon durchgeführter Auslandspraktika im PVD wird zusammen mit den niederländischen Partnern an der Identifikation solcher Module und Inhalte der jeweiligen Curricula gearbeitet, in denen in Zukunft ein Studierendenaustausch vorstellbar sein könnte. An der Konkretisierung grenzüberschreitender Austausche und Praktika im AV/R wird auch für die Metropolregion Aachen gearbeitet.

Forschungsaufenthalte von Dozenten der HSPV NRW im Ausland (zum Beispiel Prof. Dr. Frevel an der FH Campus Wien, Prof. Dr. Karsten Witt in Sheffield oder Prof. Dr. Frank Bohn in Bukarest und Tbilisi) sowie wissenschaftliche Formen der Zusammenarbeit mit ausländischen Hochschulen dienen der Förderung von Weltoffenheit an der HSPV NRW. Ausdruck solcher Zusammenarbeit sind beispielsweise Vorträge von ausländischen Wissenschaftlern an der HSPV NRW und umgekehrt, wie etwa von Prof. Dr. Jan Terpstra (Prof. em., Radbout University, Nijmegen) zum Vergleich der Ausbildung der Polizei in Finnland, den Niederlanden und Deutschland (am 14. Dezember 2022 in Münster), internationale Begegnungen, aber auch Publikationen wie Öffentliche Verwaltung in Brasilien und Deutschland - Vergleichende Perspektiven und aktuelle Herausforderungen (hrsgg. von den HSPV-Professoren/Innen K. Möltgen-Sicking, Henrique Ricardo Otten, Malte Schophaus und Prof. Dr. Soraya Vargas Cortes, Universidade Federal do Rio Grande do Sul, Brasilien; Springer VS 2019), Higher Education and Police. An International View (hrsgg. von Colin Rogers, University of South-Wales, und Bernhard Frevel; Palgrave Macmillan, 2018) oder Policing race, ethnicity and culture. Ethnographic perspectives across Europe (hrsgg. von Thomas Beek, et.al. Manchester Univ. Press. mit einem Beitrag der Autorin). Dieser wissenschaftliche Austausch erweitert nicht nur das Wissen der beteiligten Hochschulangehörigen, sondern trägt auch zu einem Dialog und zum Verständnis von europäischen und internationalen Partnern bei.

Während die organisatorischen Rahmenbedingungen, die finanzielle Förderung und die Unterstützung von Seiten des Präsidiums eine wertvolle und bedingende Voraussetzung für die Förderung von Weltoffenheit an der HSPV NRW sind, kann diese nur durch die Initiative und Pflege individueller Personen nachhaltig in der Organisation verankert werden. Jede Form der internationalen Kooperation ist von der Initiative und dem Engagement Einzelner abhängig. Dieses umso mehr, als die Pflege internationaler Beziehungen über das normale Lehrdeputat und die damit verbundenen Verantwortlichkeiten hinausgeht. Dank dieses Engagements konnte an der HSPV NRW in den letzten Jahren schon sehr viel initiiert werden. Möge es durch bestehende und zukünftige Formate gelingen, die Offenheit für die europäische und internationale Welt bei den Studierenden und Hochschulangehörigen der HSPV NRW zu stärken und weiter zu entwickeln.