Soziale Roboter im öffentlichen SektorVeranstaltungsbericht

Aufnahme von zwei sozialen Robotern.
Die Veranstaltung fand im Senatssaal in der Zentrale der HSPV NRW statt

Erfahrungsaustausch und Networking: Potenziale nutzen, Grenzen erkennen

Am 9. April 2025 fand in der Zentralverwaltung der HSPV NRW in Gelsenkirchen die zweite Tagung „Soziale Roboter im öffentlichen Sektor“ im Rahmen des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojekts „RuhrBots“ statt. Die Veranstaltung knüpfte an die erste Tagung im April 2024 an und verfolgte erneut das Ziel, den Erfahrungs- und Erkenntnisaustausch zu fördern sowie Vernetzungsmöglichkeiten zu schaffen. Eingeladen waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Bereich der sozialen Robotik, Praktikerinnen und Praktiker mit Anwendungserfahrung sowie interessierte Fach- und Führungskräfte aus der Kommunalverwaltung. Initiiert und moderiert wurde die Tagung von Prof. Dr. Andreas Gourmelon und Esther Herfurth.

Vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels im öffentlichen Sektor bietet der Einsatz sozialer Roboter eine zukunftsweisende Perspektive. Als speziell für die Interaktion mit Menschen konzipierte Technologien können soziale Roboter vielfältige Aufgaben übernehmen – etwa in der Pflege zur Unterhaltung von Patientinnen und Patienten, in der frühkindlichen Bildung zur Unterstützung von Lernprozessen, in Hotels zur Erbringung von Servicedienstleistungen oder in Bibliotheken zur Informationsvermittlung. Ziel ist es, durch die Technik eine spürbare Entlastung für die Beschäftigten angesichts hoher Personalengpässe zu schaffen. Der praktische Einsatz dieser Technik ist derzeit jedoch noch mit verschiedenen Herausforderungen verbunden – sowohl technisch und rechtlich als auch im Hinblick auf die gesellschaftliche Akzeptanz.

Acht ausgewiesene Expertinnen und Experten aus verschiedenen Fachrichtungen beleuchteten in ihren Vorträgen, wie trotz dieser Hürden ein erfolgreicher Einsatz gelingen kann und welche Lösungsansätze bereits heute denkbar oder erprobt sind. Darüber hinaus boten die Pausen zwischen den Programmpunkten Raum für Austausch und vertiefende Diskussionen.

Vorträge

Die eingeladenen Expertinnen und Experten kommen aus ganz Deutschland und arbeiten aus unterschiedlichen Perspektiven mit sozialen Robotern: Dr. Alexander Arntz (Hochschule Ruhr West), Ursula Baur (Stadtbüchereien Düsseldorf), Dr. Felix Carros (Universität Siegen), Gerald Scheurmann-Kettner und André Wagner (Event Hotels), Prof. Dr. Stefan Kopp (Universität Bielefeld), Dr. Nils Tolksdorf (Universität Paderborn), Nora Weinberger (Karlsruher Institut für Technologie), Prof. Dr. Simone Roth und Matheea Beder (Hochschule Ruhr West).

  • Nach einer kurzen Begrüßung durch Prof. Dr. Andreas Gourmelon gab Dr. Alexander Arntz, Projektkoordinator des Kompetenzzentrums „RuhrBots“, umfassende Einblicke in die Forschungsaktivitäten und Studienerkenntnisse des Projekts zum Einsatz sozialer Roboter in Bibliotheken. Er zeigte auf, wie Roboter Buchempfehlungen unterstützen können und welche Erfahrungen das Projektteam in Feldstudien an verschiedenen Bibliotheksstandorten gesammelt hat. Dabei präsentierte er unter anderem Erkenntnisse zur Nutzerakzeptanz, zu den Anforderungen an das „Verhalten“ der Roboter, zu technischen Umsetzungsmöglichkeiten sowie praxisnahe Handlungsempfehlungen.
     
  • Im Anschluss daran zeigte Ursula Baur, Sachgebietsleitung für IT und Geschäftsgang der Stadtbüchereien Düsseldorf, auf, wie soziale Roboter und andere KI-Systeme (zum Beispiel Avatare) bereits erfolgreich in den Bibliotheksalltag integriert wurden. Sie erläuterte, welche KI-Leitlinien für einen rechtskonformen Einsatz entwickelt wurden und welche positiven Effekte die Technik auf die Nutzenden zeigt. Eine zentrale Erkenntnis: Nicht ältere Menschen, sondern eher die Altersgruppe der 30- bis 65-Jährigen zeigt im Umgang mit den neuen Technologien vergleichsweise größere Einstiegshürden.
     
  • Dr. Felix Carros knüpfte mit einem dritten Vortrag an und thematisierte den Einsatz sozialer Roboter in der Pflege. Er betonte die Relevanz und Notwendigkeit innovativer Technologien angesichts des demografischen Wandels und der wachsenden Herausforderungen in Pflegeeinrichtungen. Anhand seiner Forschungsarbeiten zeigte er auf, wie soziale Roboter erfolgreich zur Aktivierung und Unterhaltung von Bewohnerinnen und Bewohnern eingesetzt werden – und dabei auch Akzeptanz finden. Zugleich sprach er offen über „Lessons Learned“ und enttäuschte Erwartungen: So zeigte sich etwa, dass soziale Roboter derzeit keine signifikante zeitliche Entlastung für Pflegekräfte bieten und kurzfristig keine Lösung für den Pflegenotstand darstellen. Dennoch entfalten sie einen hohen Nutzen, etwa durch individuell anpassbare Nutzungsmöglichkeiten und positive Effekte auf das Wohlbefinden der Bewohnenden.
     
  • Im anschließenden Vortrag zeigten Gerald Scheurmann-Kettner und André Wagner auf eindrucksvolle Weise, wie Robotik den „Service in der Hotellerie neu definiert“. Am Beispiel der Hotelkette Event Hotels erläuterte der Chief Information Officer Herr Scheurmann-Kettner, wie bereits heute verschiedene Robotermodelle erfolgreich in den Betrieb integriert werden. So kommen unter anderem mobile Lieferroboter zum Einsatz, die eigenständig Aufzüge nutzen und Getränke, Snacks oder Toilettenartikel bis vor die Zimmertür der Gäste bringen. Intelligente Saugroboter stimmen ihre Reinigungspläne untereinander ab und ermöglichen eine besonders gründliche Reinigung. Ergänzt wird dieser Einsatz durch Roboter, die Speisen aus der Küche zu den Kundinnen und Kunden im Restaurant bringen und wiederum benutztes Geschirr in die Spülküche zurückfahren. Das Ergebnis: Deutlich höhere Kundenzufriedenheit bei gleichzeitiger spürbarer Entlastung der Mitarbeitenden. Die Kette Event Hotels gilt damit als Vorreiter im Bereich der robotergestützten Hotellerie.
  • Aufnahme von Dr. Alexander Arntz aus dem Projekt RuhrBots .
    Dr. Alexander Arntz, Projekt RuhrBots
  • Aufnahme von Ursula Baur aus den Stadtbüchereien Düsseldorf.
    Ursula Baur, Stadtbüchereien Düsseldorf
  • Aufnahme von Dr. Felix Carros (soziale Robotik in der Pflege).
    Dr. Felix Carros, soziale Robotik in der Pflege
  • Aufnahme von Gerald Scheurmann-Kettner von der Hotelkette Event Hotels.
    Gerald Scheurmann-Kettner, Event Hotels
  • Aufnahme von Dr. Nils Tolksdorf (soziale Robotik in der frühkindlichen Bildung).
    Dr. Nils Tolksdorf, soziale Robotik in der frühkindlichen Bildung
  • Aufnahme von Prof. Dr. Stefan Kopp (soziale Roboter als Lernbegleiter).
    Prof. Dr. Stefan Kopp, soziale Roboter als Lernbegleiter
  • Aufnahme von Nora Weinberger (Technikfolgenabschätzung in Reallaboren).
    Nora Weinberger, Technikfolgenabschätzung in Reallaboren
  • Aufnahme von Prof. Dr. Simone Roth (Pilotierung eines Ökosystems für Anbieter und Nachfragende sozialer Roboter).
    Prof. Dr. Simone Roth, Pilotierung eines Ökosystems für Anbieter und Nachfragende sozialer Roboter
  • Aufnahme von Matheea Beder (Pilotierung eines Ökosystems für Anbieter und Nachfragende sozialer Roboter).
    Matheea Beder, Pilotierung eines Ökosystems für Anbieter und Nachfragende sozialer Roboter
  • Im fünften Vortrag präsentierte Prof. Dr. Stefan Kopp, Professor für Informatik an der Universität Bielefeld, ausgewählte Forschungsergebnisse zum Einsatz sozialer Roboter „als Lernpartner beim Spracherwerb“ in der frühkindlichen Bildung. Deutlich wurde, dass der Einsatz von Robotern in pädagogischen Settings ein lang erforschtes Feld ist, in dem die Roboter unterschiedliche Rollen erfüllen können – etwa als Mitschüler, Tutor, Lehrer oder als Lerngegenstand. In der Rolle als Lernbegleiter bieten Roboter zahlreiche Vorteile. Sie sind geduldig, berechenbar, unterstützend, können sich auf die Umwelt (Tablet, Kind) beziehen, ihre physische Präsenz gezielt nutzen und ihre Interaktionen auf die jeweilige Lernsituation abstimmen. Fazit: Sprachbegleitete Gesten des Roboters steigern die Aufmerksamkeit, während adaptive Lerninteraktionen die Motivation des Kindes erhöhen – mit positiven Effekten auf den Lernerfolg.
     
  • Anschließend erläuterte Dr. Nils Tolksdorf, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Paderborn, welche Potenziale soziale Roboter zur Förderung von Teilhabechancen von Kindern in der digitalen Gesellschaft bieten. Er verwies auf Erkenntnisse aus der bisherigen Forschung, die unter anderem belegen, dass soziale Roboter das Sprachlernen von Kindern unterstützen und zu nachhaltigen Lernerfolgen sowie zu einer Verbesserung ihrer Erzählkompetenz beitragen können. Im Rahmen eigener Studien kam er zu dem Ergebnis, dass soziale Roboter außerdem eine bedeutende Rolle bei der Förderung metasprachlicher Fähigkeiten spielen können. Sie regen Kinder dazu an, nicht nur die Interaktion mit dem Roboter, sondern auch die zugrundeliegende Technologie kritisch zu reflektieren. Auf diese Weise kann die Kommunikation mit einem Roboter dazu beitragen, das kritische Denken und Sprechen von Kindern zu fördern und sie durch Reflexion zu empowern. Für einen sinnvollen Einsatz sozialer Roboter genüge es jedoch nicht, lediglich deren Potenziale zu erkennen. Vielmehr müsse die Technologie kindorientiert entwickelt werden – also so, dass Kinder auf ihre individuelle Weise mit ihr interagieren können.
     
  • Nora Weinberger, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Karlsruher Institut für Technologie, wurde online zugeschaltet und gab Einblicke in die Technikfolgenabschätzung in Reallaboren, die insbesondere im Hinblick auf zentrale Zukunftsfragen der Robotik bedeutsam ist. Sie machte deutlich, dass das Anwendungsspektrum von Robotern künftig weit über bekannte Einsatzbereiche hinausreichen könnte – etwa als Geburtshelfer oder Babysitter. Gerade deshalb sei es entscheidend, bereits heute Chancen und Risiken sorgfältig abzuwägen und sich der Frage zu widmen, welches Miteinander von Mensch und Maschine wünschenswert ist. Reallabore bieten in diesem Zusammenhang eine wertvolle Plattform, um reale Probleme zu erkennen, praxisnahe Lösungsansätze zu entwickeln und übergreifende Anforderungen an den Technikgebrauch zu formulieren.
     
  • Den thematisch passenden Abschluss der Veranstaltung bildete der Vortrag von Prof. Dr. Simone Roth und Matheea Beder von der Hochschule Ruhr West. Beide sind Projektpartner im RuhrBots-Verbund und stellten ihre Arbeiten zur Pilotierung eines Ökosystems für Anbieter und Nachfragende sozialer Robotik vor. Ziel dieses Ökosystems ist es, Stakeholder zu vernetzen, konkrete Mehrwerte zu schaffen und den strukturierten Aufbau sowie die Weiterentwicklung einer Wissensbasis zu fördern – etwa zur gezielten Nutzung von Forschungserkenntnissen und zum nachhaltigen Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Praxis.


Die Veranstaltung war ein großer Erfolg und soll fortgeführt werden. Vielen Dank an die Expertinnen und Experten sowie an die Kolleginnen und Kollegen der Zentralverwaltung, deren Unterstützung maßgeblich zum Erfolg der Tagung beigetragen hat.