Schutz des RechtsstaatsGespräch mit NRW-Innenminister Reul

Nahaufnahme einer Polizeikelle.
Das Gespräch fand im NRW-Innenministerium in Düsseldorf statt

Austausch zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit

Die Rechtsstaatlichkeit ist ein fundamentales Prinzip der Bundesrepublik Deutschland und bildet das Rückgrat der Demokratie. Sie garantiert Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit, indem sie die Macht des Staates begrenzt und die Rechte der Bürgerinnen und Bürger schützt. Doch auch der Rechtsstaat selbst muss gegen extremistische Bestrebungen geschützt werden, die diesen unterwandern und – zum Teil unter Ausnutzung seiner Möglichkeiten – zu beseitigen versuchen, um ihn in ein autoritäres System, wie etwa ein Kalifat oder die Scharia, umzuwandeln. Zu diesem Thema fand Ende Juni 2024 im Ministerium des Innern des Landes NRW ein Gespräch mit Minister Herbert Reul statt.  

Initiiert wurde der Austausch durch den Ehrenvorsitzenden der Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland e.V., Prof. Dr. Wilfried Echterhoff, im Rahmen seiner langjährigen Mitgliedschaft in der Gesellschaft zum Studium strukturpolitischer Fragen. Weitere Gesprächsteilnehmer waren Prof. Dr. Horst-Dieter Westerhoff, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Berliner Strukturgesellschaft, und Peter Schlanstein, Lehrender am Studienort Münster der HSPV NRW.

Anlässlich des 75. Geburtstags des Grundgesetzes hat der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Stephan Harbarth, mit Blick auf das bisweilen raue politische und gesellschaftliche Klima darauf hingewiesen, dass sich das Grundgesetz zwar als Glücksfall und zukunftsoffene Verfassung erwiesen habe, es aber auch täglich gelebt, geschützt und verteidigt werden müsse.

Mit Minister Reul wurden unter anderem folgende Beispiele der Ausnutzung der Rechtsstaatlichkeit diskutiert:

Die weitgehende Bewegungsfreiheit im Schengen-Raum ermöglicht es Personen, die offensichtlich ein kriminelles System vertreten (zum Beispiel Mitglieder der Taliban), in Deutschland einzureisen. Diese Personen nutzen den Schutz der Rechtsstaatlichkeit, um sich frei zu bewegen und ihre Ziele zu verfolgen, ohne unmittelbare Konsequenzen befürchten zu müssen.

Es gibt Gruppen, die in Deutschland versuchen, eine Autokratie oder Diktatur zu errichten, beispielsweise durch den Aufbau eines Kalifats. Diese Bestrebungen stehen im direkten Widerspruch zur freiheitlich demokratischen Grundordnung und nutzen die Toleranz und Offenheit der Gesellschaft aus.

Strategien wie die „Remigration“ werden verharmlost und als legitime politische Forderung dargestellt. In Wahrheit handelt es sich hierbei oft um Pläne, die auf eine ethnische Säuberung oder Diskriminierung abzielen, was fundamental gegen die Grundwerte der Rechtsstaatlichkeit verstößt.

Fälle wie die Forderung nach der Einführung der Scharia an einer Schule in Neuss zeigen, wie religiöse Fundamentalisten versuchen, parallele Rechtssysteme zu etablieren, die im Widerspruch zur deutschen Verfassung stehen.

Die Bildung und der Fortbestand von Parallelgesellschaften, in denen nach Regeln gelebt wird, die mit der rechtsstaatlichen Ordnung nicht kompatibel sind, führen zu einer Entfremdung und Abwehrhaltung gegenüber dem Staat. Diese Gesellschaften bilden einen fruchtbaren Boden für kriminelle Aktivitäten und antidemokratische Bestrebungen.

Clans, die betrügerisch staatliche Hilfen unzulässig beantragen und darüber hinaus gewalttätig agieren, nutzen die Rechtsstaatlichkeit schamlos aus. Diese Gruppen sind oft gut organisiert und nutzen juristische Lücken und administrative Schwächen, um ihre kriminellen Aktivitäten zu verschleiern und zu legitimieren.

In Parallelgesellschaften kommt es oft zu organisierten Absprachen, um rechtsstaatliche Maßnahmen zu verhindern. Ein Beispiel hierfür ist das Mobilisieren von Personen per Handyrundruf, um polizeiliche Maßnahmen zu behindern oder Beamtinnen und Beamte anzugreifen.

Diese Gruppen lehnen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat ab und erkennen deren Institutionen nicht an. Sie versuchen durch juristische Winkelzüge und eine aggressive Verweigerungshaltung die Rechtsstaatlichkeit zu untergraben.

Organisationen und Einzelpersonen mit islamistischem Hintergrund, die oft von ausländischen Staaten unterstützt werden, arbeiten aktiv daran, die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland zu unterwandern. Sie verbreiten Hass und radikales Gedankengut und nutzen die Freiheiten des Rechtsstaates, um ihre Netzwerke aufzubauen und zu stärken.

Eine zentrale Rolle zum Schutz und zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit spielt der Verfassungsschutz, der extremistische Bestrebungen überwacht und analysiert. Durch Informationssammlung und -auswertung trägt er dazu bei, Gefahren frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Der Verfassungsschutz kann zudem Präventionsarbeit leisten, indem er die Öffentlichkeit über die Gefahren extremistischer Ideologien aufklärt.

In extremen Fällen sind Verbote von Organisationen ein legitimes Mittel. Die Bundesrepublik Deutschland hat bereits mehrfach Vereine und Gruppen verboten, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgen. Diese Maßnahmen basieren auf dem Vereinsgesetz und dem Parteiengesetz, die es ermöglichen, Organisationen zu verbieten, die die freiheitlich demokratische Grundordnung gefährden.

Das Strafrecht bietet Instrumente, um gegen Personen vorzugehen, die durch ihre Handlungen die Sicherheit und Ordnung des Rechtsstaats gefährden. Strafbestände wie die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a StGB) oder die Bildung einer terroristischen Vereinigung (§ 129a StGB) ermöglichen es bereits, präventiv gegen potenzielle Gefährder vorzugehen. Angriffe auf Polizeibeamtinnen und -beamte, Rettungskräfte, Feuerwehrleute, Ehrenamtliche und Kommunalpolitiker/innen höher zu bestrafen, könnte als deutliches Signal gewertet werden. Überdies erscheint es auf der Ebene der Justiz prüfenswert, demokratiefeindlichen Beweggründen im Strafrecht ein stärkeres Gewicht zu verleihen.

Neben repressiven Maßnahmen ist die Präventionsarbeit ein essenzieller Bestandteil des Schutzes des Rechtsstaats. Bildungsprogramme und Initiativen zur Demokratieförderung sollen Bürgerinnen und Bürger für die Werte des Rechtsstaats sensibilisieren und Extremismusprävention betreiben. Durch Aufklärung und Förderung der politischen Bildung kann ein Bewusstsein für die Bedeutung des Rechtsstaats geschaffen und dem Extremismus entgegengewirkt werden.

Ziel des Gesprächs mit Innenminister Herbert Reul war, die Unterstützung des Ministers im Rahmen verwaltungsorientierter und rechtlicher Möglichkeiten zu gewinnen, die Ausnutzung der Rechtsstaatlichkeit zu verhindern und die demokratische Ordnung zu schützen. Dazu wurden verschiedene Maßnahmen diskutiert:

Die bestehenden Gesetze müssen konsequent und effektiv durchgesetzt werden. Dies erfordert eine gut ausgestattete und geschulte Polizei sowie eine funktionierende Justiz.

Lücken im Rechtssystem, die von kriminellen und antidemokratischen Akteurinnen und Akteuren ausgenutzt werden, müssen identifiziert und geschlossen werden. Dazu gehört auch eine Anpassung der Gesetze an die neuen Bedrohungen.

Parallelgesellschaften und radikalen Gruppen muss durch integrative Maßnahmen und Präventionsarbeit entgegengewirkt werden. Bildung und Aufklärung sind zentrale Elemente, um die Werte der Rechtsstaatlichkeit zu vermitteln und Radikalisierung vorzubeugen.

Die Bekämpfung transnationaler Bedrohungen, wie Terrorismus und organisierte Kriminalität, erfordert eine enge Zusammenarbeit mit internationalen Partnern. Informationen und Best Practices sollten ausgetauscht und gemeinsame Strategien entwickelt werden.

Die Stärkung der Zivilgesellschaft und die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in den Schutz der demokratischen Werte sind entscheidend. Dies kann durch Bildungsprogramme, zivilgesellschaftliche Initiativen und eine offene Kommunikation gefördert werden.

Im Anschluss an das rund einstündige Gespräch erklärte Minister Reul sich grundsätzlich dazu bereit, an einer dem Schutz des Rechtsstaats gewidmeten Fachveranstaltung der Gesellschaft zum Studium strukturpolitischer Fragen teilzunehmen. Die Einrichtung einer eigenen Arbeitsgruppe zu dem Thema hielt der Minister indes nicht für angebracht, jedoch stimmte er der Anregung zu, seine Polizeiabteilung zu bitten, aktuelle Problemlagen und Lösungsvorschläge zu prüfen und gegebenenfalls aufzubereiten.

Zudem wünschte sich Minister Reul eine stärkere Beteiligung der Polizeiwissenschaft, insbesondere an der HSPV NRW und an der DHPol, durch themenorientierte Bachelor- oder Masterarbeiten, die Praktiken untersuchen und prüfen, welche den Rechtsstaat schwächen sollten, und sich damit befassen, wie dieser sich dagegen mit gebotenen rechtsstaatlichen Mitteln bestmöglich zur Wehr setzen kann. Dabei seien zur effektiven Stärkung des Rechtsstaates und seiner Institutionen vorbeugende Maßnahmen sowohl im Bundes- als auch im Landesrecht zu prüfen.

Der Schutz des Rechtsstaats vor seinen Feinden ist notwendig, um die demokratische Grundordnung und die individuellen Freiheiten zu bewahren. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass der Rechtsstaat nicht als schwach oder ineffektiv wahrgenommen wird. Durch eine Kombination aus präventiven und repressiven Maßnahmen, wie dem Verfassungsschutz, Verboten extremistischer Organisationen, strafrechtlichen Maßnahmen und umfassender Präventionsarbeit, können Bund und Länder effektiv gegen Bedrohungen vorgehen. Dabei muss stets darauf geachtet werden, dass die Maßnahmen im Einklang mit den Grundrechten und Prinzipien des Rechtsstaats stehen, damit Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit in Deutschland bewahrt bleiben.