Rückblick | Neue Opferrechte in der EU und die Konsequenzen für Polizei, Justiz und Opferschutz

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Die Fachtagung "Neue Opferrrechte in der EU und die Konsequenzen für Polizei, Justiz und Opferschutz" der Foschungsgruppe BiBeLL bot am 27. Mai 2014 fast 100 Teilnehmenden die Möglichkeit einer komprimierten Information über die Rahmenbedingungen und die Umsetzungsoptionen der Richtlinie.

Etwa Zweidrittel der Teilnehmenden kam aus den Kreispolizeibehörden (Opferschutzbeauftragte) und dem LKA NRW. Der Rest setzte sich aus Vertretern und Vertreterinnen der Justiz und verschiedener Opferschutzdienste zusammen. Kooperationspartner waren der Weiße Ring, Mainz und das Landeskriminalamt NRW.

Die Einschätzung einer Teilnehmerin fasst den Nutzen und die Veranstaltungsatmosphäre am Besten zusammen.

Kennen Sie die Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/2020/JI? Nein????? Noch vor einigen Wochen hätte das nicht verwundert. Gerade uns als Lehrende in den ganz verschiedenen Fachdisziplinen oder Studierende mit vielen Kontakten zu Opfern aber sollten die Inhalte durchaus bekannt sein, denn sie werden in der nahen Zukunft umgesetzt und dann von jedem Polizeibeamten, jedem Opferschützer, jedem Mitarbeiter der Justizbehörden und nicht zuletzt jedem ehrenamtlichen Betreuer angewandt werden. Damit das gelingt und die Inhalte der Richtlinie allgemein bekannt werden, organisierte die Forschungsgruppe BiBeLL mit hohem Aufwand eine Tagung zu diesem Thema, die in Kooperation zwischen der FHöV, dem LKA NRW und der Organisation Weisser Ring durchgeführt und gestaltet wurde. 

Offenbar ist die Richtlinie tatsächlich bereits im Fokus vieler Institutionen, entsprechend war die Tagung gut besucht: sowohl Vertreter der Opferhilfsorganisation Weisser Ring aus Bundesvorstand und Landesvorsitzenden, deren Mitarbeiter zur Opferbetreuung aus einigen Außenstellen, als auch viele Beamte der Dienststellen Kriminalpolizeilicher Opferschutz aus ganz NRW, der ehemalige und der aktuelle Direktor des LKA NRW, Angehörige verschiedener Justizbehörden und Lehrende der FHöV befanden sich unter den Zuhörern. So konnte der Präsident der FHöV, Reinhard Mokros, als Hausherr in seiner Begrüßung einen Ausblick auf viele verschiedene Vorträge geben.

Diese Vorträge waren sämtlich informativ und gut aufgebaut. So erschloss sich auch dem europarechtlichen Laien, wie es zu der Richtlinie, die Kern der Veranstaltung war, kam (Vortrag von Frau Dr. Helgard van Hüllen, stellvertretende Bundesvorsitzende im Weissen Ring und Vizepräsidentin von Victim Support Europe). Interessant waren hier gerade die zwischen den Folientexten liegenden Informationen z.B. darüber, wie auf dem politischen Parkett die Diskussionen darüber stattfinden, in welchen Anforderungen die Bundesrepublik Deutschland bereits wegweisend ist oder in welchen sie hingegen noch einigen Nachholbedarf hat.

Auch die Darstellung der Geltung und Bindungswirkungen von EU-Richtlinien im Vergleich zu anderen EU-Entscheiden im nächsten Vortrag war gelungen und geeignet, auch dem EU-Rechts-Laien die Zusammenhänge verständlich zu machen; danke dafür an Hans-Heinrich Schulte, Jurist und Leiter der Abteilung Gelsenkirchen der FHöV.

Damit war auch die logische Hinführung zum nächsten Thema gegeben: Prof. Dr. Martina Eckert, Lehrende an der FHöV und langjährige Mitarbeiterin im Weissen Ring, konkretisierte die Rechtslage. Sie bot eine gelungene und übersichtliche Darstellung und Erläuterung zu den wesentlichen Anforderungen der Richtlinie, dem Opfer auf angemessene Weise Information, Unterstützung und Schutz zu geben. Für den gesamten Verlauf des Verfahrens inklusive der Zeit nach Abschluss eines Strafverfahrens betrachtete sie diese wesentlichen Grundlagen, bezog sie auf die verschiedenen beteiligten Behörden und erläuterte die Ursachen und Befindlichkeiten von Opfern in diesen Phasen. In diesem Vortrag fanden sich wichtige und anwendbare Hinweise für die Praxis.

Dass solche Hinweise ganz sicher ihre Berechtigung haben, dieses Bewusstsein aber über viele Jahre erst wachsen musste und die Richtlinie daher aus einem sehr langen Prozess entstanden ist, führte Prof. em. Dr. Heinz Schöch, Jurist und Kriminologe und Vorstandsmitglied des Weissen Ring aus. Er analysierte die Richtlinie und das Bundesrecht und glich ab, wo noch Handlungsbedarf besteht und wie er im Einzelfall umgesetzt werden könnte.

Den Abschluss bildete der Vortrag von Kriminaldirektor Wolfgang Hermanns vom LKA NRW. Er glich die theoretischen Inhalte mit der Praxis ab und verwies im Schwerpunkt auf den Kriminalitätsmonitor NRW und die periodische Opferbefragung (konzipiert und durchgeführt durch die Kriminalistisch-Kriminologische Forschungsstelle des LKA NRW). Und er verwies auch darauf, dass die Polizei nur ein Baustein im Verfahren ist und als solcher zwar wesentliche Grundlagen für eine Wahrung der Opferinteressen legt, aber noch immer nicht bei allen Behörden und Beteiligten im Strafverfahren die Sensibilität entsprechend ausgeprägt scheint. Stellte man nun, nach dieser Tagung noch einmal die Eingangsfrage, so können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sagen: ja, diese Richtlinie ist wegweisend, und wir kennen sie!

 

Dr. Monika Pientka