Europäischer PolizeikongressStrategie – Resilienz – Zusammenhalt

Am 20. und 21. Mai 2025 fand der diesjährige Europäische Polizeikongress in Berlin statt
In Kooperation mit der Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland e.V. (VOD) war die HSPV NRW mit einem Infostand und Referenten beim Europäischen Polizeikongress 2025 in Berlin zum Thema „Zeitenwende für die Innere Sicherheit“ präsent.
Unter dem Leitmotiv „Strategie – Resilienz – Zusammenhalt“ diskutierten am 20. und 21. Mai 2025 über 2.300 Teilnehmende aus Polizei, Politik, Verwaltung und Wissenschaft über zentrale Zukunftsfragen der Inneren Sicherheit. Die Polizei steht im Zentrum eines tiefgreifenden Wandels – technisch, gesellschaftlich und rechtlich. In mehr als 40 Foren, Panels und Side Events wurden die Herausforderungen der gegenwärtigen Zeit sachlich, lösungsorientiert und praxisnah erläutert.
Zentrale Themen
Die Vorträge reichten von hybriden Bedrohungen, Migration und Cybersicherheit bis hin zur Reform der Polizeibeschaffung. Partnerland war in diesem Jahr Polen – ein starkes Zeichen für die europäische Sicherheitskooperation. Diskutiert wurden unter anderem:
Ein eigener Themenschwerpunkt widmete sich der Prävention von Messerangriffen – mit einem interdisziplinären Symposium zur Früherkennung von Risikopersonen.
KI als Chance und Herausforderung
In mehreren Foren wurde diskutiert, wie moderne Technologien – insbesondere Künstliche Intelligenz (KI) – polizeiliche Arbeit effizienter und wirksamer machen können. Ob bei der Gefahrenabwehr, der Gesichtserkennung, der Analyse großer Datenmengen oder der digitalen Beweismittelsicherung: KI wird zunehmend als „unverzichtbares Werkzeug“ gesehen. Zugleich wurden Fragen nach ethischen Grenzen, Datenschutz, digitaler Souveränität und föderaler Einheitlichkeit intensiv beleuchtet.
Einigkeit bestand darin, dass KI nur dann erfolgreich und verfassungskonform eingesetzt werden kann, wenn klare rechtliche Leitplanken und interoperable IT-Strukturen vorhanden sind.
Digitalisierung als Kraftakt im föderalen System
Das bundesweite Programm „Polizei 20/20“ wurde als zentrale Modernisierungsinitiative vorgestellt. Ziel: Ein vernetztes Datenökosystem für alle 20 beteiligten Polizeibehörden (16 Landespolizeien, die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt, das Zollkriminalamt und die Polizei beim Deutschen Bundestag). Die erste mobile App zur Kfz-Abfrage soll im Juni 2025 in Rheinland-Pfalz starten. Diese ermöglicht eine direkte Abfrage von Fahrzeug- und Fahrzeughalterdaten beim Kraftfahrt-Bundesamt. Weitere Datenquellen sollen folgen, darunter auch das Melderegister, das Ausländerzentralregister und das Schengen-Informationssystem. Innenministerin Dr. Tamara Zieschang und BKA-Präsident Holger Münch betonten die Dringlichkeit und forderten mehr Tempo, Priorisierung und Ressourcen.
Arbeitswelt Polizei im Wandel
Auch die Polizei ist vom gesellschaftlichen Wandel betroffen: Mobiles Arbeiten, neue Arbeitszeitmodelle und ein Wechsel zu vertrauensbasierten Führungskulturen standen im Fokus. Vertreterinnen und Vertreter aus Berlin und Freiburg warben für mehr Flexibilität und Nachwuchsorientierung – nicht als Selbstzweck, sondern zur Stärkung der Einsatzfähigkeit.
Cybersicherheit und digitale Souveränität
Ein Panel zu digitaler Souveränität stellte die strategische Abhängigkeit deutscher Polizeibehörden von außereuropäischen IT-Anbietern in den Mittelpunkt. Der US Cloud Act, der es amerikanischen Behörden erlaubt, weltweit auf Daten bei US-Konzernen zuzugreifen (auch wenn diese in Europa gespeichert sind), fehlende Open-Source-Alternativen und der hohe Marktanteil von US-Firmen wurden kritisch hinterfragt. Empfohlen wurden eine Reform des Vergaberechts und ein europäischer Technologiefokus, unter anderem über GAIA-X, einem Gemeinschaftsprojekt, das darauf abzielt, eine leistungsstarke, sichere und vertrauenswürdige Dateninfrastruktur zu schaffen.
KI in der digitalen Polizeiarbeit
Cyberkriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger von der Hochschule der Polizei Brandenburg mahnte: KI sei „die letzte Chance, das Gewaltmonopol des Staates auch im Netz durchzusetzen“. Angesichts massiver Fallzahlen im Bereich digitaler Kriminalität (Spam, Hassrede, Kindesmissbrauch) brauche es zwingend automatisierte Verfahren – von Anzeigeaufnahme bis Ermittlungsunterstützung. Gleichzeitig warnte er vor Fehlanwendungen und forderte digitale Bildung auf allen Ebenen.
Einsatzfahrzeuge der Zukunft
Ein zentrales Side Event des Polizeikongresses 2025 widmete sich den Anforderungen an das polizeiliche Einsatzfahrzeug der Zukunft. Der Fokus lag auf automatisiertem und vernetztem Fahren – nicht mehr nur auf Elektromobilität. Diskutiert wurden sicherheitsrelevante Innovationen, etwa Car-to-X-Kommunikation zur Unfallvermeidung auf Autobahnen und adaptive Systeme für Einsatzfahrten.
Das LZPD NRW stellte seine Vision eines vollständig vernetzten Funkstreifenwagens vor. Industrievertreter des VDA verwiesen auf standardisierte Schnittstellen und technologische Kooperation. Eine Beamtin des Hauptpersonalrats der Polizei NRW betonte praxisnahe Lösungen im Sinne der Anwender. Ein Vertreter der HSPV NRW aus Münster analysierte, ob KI und „Vehicle-to-Everything“ (V2X) die Zahl der Verkehrstoten reduzieren können – mit dem Fazit: Ja, sofern Ethik, Technik und Rechtsrahmen zusammengedacht werden.
Zudem war die HSPV NRW mit einem von vier Polizeibeamtinnen und -beamten betreuten Informationsstand präsent und stand als Ansprechstelle für den akademischen Austausch sowie für Studieninteressierte zur Verfügung.
Ein Kongress der Breite und Tiefe
Die diesjährige Veranstaltung bewies erneut, dass Innere Sicherheit keine Einzelaufgabe ist, sondern auf starker Zusammenarbeit zwischen föderalen, europäischen und zivilgesellschaftlichen Akteuren beruht. Die breite thematische Aufstellung reichte von digitaler Polizeiarbeit, Beschaffungsstrategien und Nachwuchsgewinnung bis hin zu Fragen der internationalen Rechtsdurchsetzung – flankiert von einem umfangreichen Ausstellungsbereich mit rund 160 Institutionen und Unternehmen.
Ausblick
Der nächste Europäische Polizeikongress findet am 6. und 7. Mai 2026 in Berlin statt – erneut als zentrale Plattform für den sicherheitspolitischen Dialog in Europa.