Deutscher Verkehrsexpertentag 2019Mehr Opferschutz im Straßenverkehr

hilfefinder.de leistet Unterstützung bei psychischen Belastungen nach Verkehrsunfällen (Foto: VOD)
hilfefinder.de leistet Unterstützung bei psychischen Belastungen nach Verkehrsunfällen (Foto: VOD)

Auf deutschen Straßen ereignen sich jährlich über 300.000 Unfälle mit Personenschaden. Dabei werden – mit steigender Tendenz – rund 400.000 Menschen verletzt, einige von ihnen besonders schwer oder gar tödlich. Beim Deutschen Verkehrsexpertentag diskutierten Ende November 2019 namhafte Referentinnen und Referenten über Ursachen von Verkehrsunfällen, über präventive Maßnahmen zur Vermeidung und über Folgen von Unfällen für die Opfer.

Rund 200 Teilnehmende verfolgen gespannt die Vorträge von 20 Referenten beim Kongress (Foto: DHPol)
Rund 200 Teilnehmende verfolgen gespannt die Vorträge von 20 Referenten beim Kongress (Foto: DHPol)
MDg Dr. Daniela Lesmeister: Technische Sicherung von Beweisen ist nötig. (Foto: DHPol)
MDg Dr. Daniela Lesmeister: Technische Sicherung von Beweisen ist nötig. (Foto: DHPol)
Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion Elvan Korkmaz, MdB, plädiert für höhere Verkehrssicherheit künftiger Mobilität (Foto: DHPol)
Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion Elvan Korkmaz, MdB, plädiert für höhere Verkehrssicherheit künftiger Mobilität (Foto: DHPol)
Es braucht ein System, um Leben zu retten (Foto: DVR)
Es braucht ein System, um Leben zu retten (Foto: DVR)

Der in der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol), Münster, durch die Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland e.V. (VOD) in einer Kooperation mit der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung (FHöV NRW) ausgerichtete Deutsche Verkehrsexpertentag 2019 verstand sich als Ort für die Präsentation von Erfahrungen und als Gelegenheit, Impulse zu geben, um die manchmal unglaublichen Probleme von Verkehrsunfallopfern und deren Umfeld zu verringern, zu verhindern oder durch gute Verkehrssicherheitsmaßnahmen von vornherein gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Der Vorsitzende des Vorstands der VOD, Prof. Dr. Wilfried Echterhoff, blickte in der Begrüßung der rund 200 Teilnehmenden, darunter auch Polizei-Studierende des FHöV-Studienorts Münster, auf das neue Onlineportal „Hilfefinder“, das der Dachverband VOD zusammen mit dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat e.V. (DVR) und der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) für Verkehrsunfallopfer mit psychischen Schwierigkeiten ein Internetportal erarbeitet hat und diesen das Finden von Beratungs- und Therapiemöglichkeiten künftig erleichtern soll.

Minister Herbert Reul, Schirmherr des Deutschen Verkehrsexpertentags, betonte in seinem Grußwort, dass Verkehrsunfälle nur in den allerwenigsten Fällen wirklich unvermeidbar oder unausweichlich seien: „Sie sind kein schicksalhaftes Ereignis. Die allermeisten Verkehrsunfälle werden von Menschen verursacht. Sie schätzen Verkehrssituationen nicht richtig ein, missachten Verkehrsvorschriften, riskieren zu viel oder übersehen Andere. Daher ist die polizeiliche und kommunale Verkehrsüberwachung neben der Unfallprävention eine wichtige, unverzichtbare Aufgabe, die erfüllt werden muss“, forderte der NRW-Innenminister. Wenn es aber zu einem Unfall komme, erklärte er, müssten „die Menschen in den Mittelpunkt gestellt werden, die davon unmittelbar oder mittelbar betroffen sind“.

Cem Özdemir, Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur des Deutschen Bundestages, wertete den deutlichen Anstieg der getöteten Radfahrer als einen dringenden Auftrag zum Handeln. Es reiche nicht aus zu erklären, dass immer mehr Menschen das Rad benutzen und deshalb verunfallen. „Radfahren muss in Deutschland endlich so sicher werden wie das Fahren eines SUV“, ist nicht nur ein pointierter Wunsch des Fahrradfreundes. Ihm geht es um die große Frage nach einer fairen (Neu-)Aufteilung des Verkehrsraumes in der Stadt und um die Stärkung der Verkehrssicherheit, die ein ständiger Schwerpunkt von Verkehrspolitik sein müsse. Dazu bräuchten wir eine Politik, die „die Probleme von heute nicht mit den Rezepten von gestern“ zu lösen versuche.

Der Vizepräsident des Verkehrsausschusses im Europäischen Parlament, Sven Schulze, sorgte sich, dass im Verkehr vermehrt schwere Straftaten wie illegale Autorennen mit Todesfolge stattfinden. Zwar habe der deutsche Gesetzgeber 2017 endlich reagiert, indem er Autorennen nicht mehr als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat einstufte. Neben diesem begrüßenswerten Schritt wünscht der Europapolitiker sich jedoch auch die vollständige Umsetzung der EU-Opferschutzrichtlinie: Die in Deutschland noch übliche qualitative Unterscheidung zwischen Opfern von Verkehrsstraftaten und solchen aus anderen Straftaten sei nicht mehr zeitgemäß, denn „Opfer sind Opfer, egal welcher Straftat“.

Ministerialdirigentin Dr. Daniela Lesmeister, Leiterin der Polizeiabteilung des NRW-Innenministeriums, erinnerte aus eigener beruflicher Erfahrung an die Folgen eines schweren Verkehrsunfalls für Opfer einschließlich Angehörige: „Das Leben ändert sich innerhalb von einer Sekunde. Der Tod und die schweren Unfallverletzung eines Menschen ziehen weitere Kreise. Gerade die unvorbereitete Konfrontation mit einschneidenden Ereignissen macht Angehörige, aber auch Freunde der Angehörigen, Arbeitskollegen, Nachbarn und die Helferinnen und Helfern vor Ort betroffen. Das ist nicht nur die Polizei, sondern es sind auch Rettungskräfte. Eine psychologische Betreuung dieser betroffenen Personen ist sehr, sehr wichtig.“ Die professionelle Betreuung und die empathische Begleitung von Verkehrsunfallopfern tragen nach Auffassung der Chefin von rund 42.000 Ordnungshütern dazu bei, dass Unfallfolgen gemindert, Krankheitszeiten vermieden und das Vertrauen in staatliche Institutionen gestärkt werden.

Für den Präsidenten der FHöV NRW, Martin Bornträger, gilt es, die Verkehrsunfallprävention und den Opferschutz stärker zu unterstützen und deren große Bedeutung immer wieder deutlich hervorzuheben. Dies geschehe unter anderem, indem man stärker für den gesamten Bereich sensibilisiere und den Bürgerinnen und Bürgern tiefere Einblicke in die Thematik gewähre. Um schwere Verkehrsunfallfolgen möglichst zu vermeiden und den Opfern bestmöglich zu helfen, sollten alle an einem Strang ziehen – Polizei, Kreise und Kommunen. „Das wirksame Vermeiden von Verkehrsunfällen und deren Folgen ist und bleibt der beste Opferschutz“, hob der ehemalige Leiter der Abteilung für Personal und Öffentliches Dienstrecht des Innenministeriums NRW hervor.

Der DVR verlangt – wie dessen Geschäftsführerin Ute Hammer berichtete – ganz dringlich, dass es in den Bereichen der gesetzlichen Krankenkassen ein unterstützendes System gebe, wie bei Arbeits- und Wegeunfällen über die Berufsgenossenschaften praktiziert. Dazu gehöre „frühzeitige Information der Geschädigten zur Aufklärung, eine Klärung der Kostenübernahmen, Möglichkeiten der Akutbehandlung und natürlich auch eine Fortbildung derjenigen Personen, die dies unterstützen, wie zum Beispiel Hausärzte und Hausärztinnen“. Bei einem solchen Verfahren, das der DVR anstrebe, sollte es zudem eine engere Zusammenarbeit zwischen Verkehrs- und Gesundheitsministerien geben, das gelte auf Bundes- wie auf Länderebene.

Der zur Optimierung der Verkehrsunfallprävention und Verbesserung der Versorgung der Opfer ausgerichtete Deutsche Verkehrsexpertentag in der DHPol hat mit vielen aktuellen Beiträgen nicht nur die Gelegenheit zu Informationen aus erster Hand, sondern auch eine Grundlage für anregende Gespräche und engagierte Diskussionen geschaffen, die eine Fortsetzung verdienen.

Interessierte sind eingeladen, Näheres über die einzelnen Vorträge der Website der VOD (www.vod-ev.org) zu entnehmen, dort werden die Inhalte zeitnah zum Download eingestellt.