#WirmeisterndieKriseErstens kommt es anders, und zweitens als man denkt

Prof. Dr. Christoph Buchert, hauptamtlich Lehrender am Studienort Köln, berichtet von seinem Berufseinstieg an der HSPV NRW und Online-Lehre in der Corona-Krise.

Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Erst recht, wenn gerade Pandemie ist: Für mich war das letzte Jahr geprägt durch viele berufliche und private Veränderungen, und alle fielen durch Corona etwas anders aus, als geplant.

Privat wurde mein Alltag durch die Geburt unseres zweiten Kindes durcheinandergewirbelt. Robin kam im Juli 2020 zur Welt – coronabedingt zuhause, denn das Krankenhaus erschien uns nach aller Abwägung nicht mehr als die „sicherere“ Alternative zur Hausgeburt. Nach einer langen Phase des Lockdowns im Frühsommer (damals noch als Richter und Gerichtssprecher im Justizdienst), in der ich häufig berufliche Telefonate vom Sandkasten aus führte, hatte sich Berufliches und Privates so sehr vermischt, dass meine Frau mich 35 Minuten vor der Geburt nochmal ins „Büro“ schickte („Ich ruf dich, wenn ich dich brauche“), und ich im Nachhinein nicht mehr sagen kann, ob zwischen dem Anruf bei der Hebamme und dem Verschicken einer beruflichen E-Mail nun zwei oder 20 Minuten vergingen. Als Vater bin ich aktuell natürlich dankbar für die Online-Lehre und die damit verbundene Familienzeit und genieße besonders die gemeinsamen Mittagessen. Ich wünsche mir auch sehr, dass mein Kind einmal eine „normale“ Welt ohne Abstand, Distanz und Masken erlebt und seine Paten ihn endlich bald auf den Arm nehmen können.

Beruflich stand im August 2020 ein Stellenwechsel an, vom Richteramt am Landgericht Stuttgart an die HSPV NRW in Köln. Der Ruf auf die Professur kam für mich einigermaßen überraschend und der Abschied aus der Justiz fiel mir schwer. Normalerweise hätte ich mich persönlich von allen Kolleginnen und Kollegen am Gericht verabschiedet, eine große Abschiedsfeier organisiert, denjenigen Kollegen, die zu Freunden geworden waren, mit einer Umarmung meine Wertschätzung gezeigt. Stattdessen ein Treffen in kleinstem Kreis und Abschied auf Distanz.

Auch der Berufseinstieg an der HSPV NRW fand größtenteils digital statt. Die erforderlichen Abstandsgebote ließen ein lockeres Kennenlernen nicht zu. Die wenigsten Studierenden und Kolleginnen und Kollegen konnte ich mit einem Händedruck begrüßen und selbst in den wenigen Stunden Präsenzlehre, die ich halten durfte, blieb das Lächeln oftmals hinter der Maske verborgen. Ich sage es ganz ehrlich: So hatte ich mir meine neue Tätigkeit als Professor nicht vorgestellt. Lehre auf Distanz ist nicht meins.

Der Wechsel in die Online-Lehre brachte immerhin etwas zurück – und damit meine ich nicht nur die Smiley-Funktion in Zoom. Ich denke an die menschliche Nähe durch den Blick ins Private. Für mich gehört es aktuell dazu, dass meine zweijährige Tochter hin und wieder in den digitalen Hörsaal winkt oder auf Seiten der Studierenden, Familienmitglieder oder Haustiere die Tatbestandsmerkmale einer Strafvorschrift mitverfolgen. Ich finde das auch nicht schlimm. Im Gegenteil: Solche Momente sorgen für willkommene Lockerheit in der virtuellen Welt und wenn an 30 Bildschirmen herzlich gelacht wird, spielt räumliche Distanz keine Rolle mehr, sondern fühlt sich einfach großartig an. Vor kurzem hat die Großmutter einer Studentin mich ungewollt, aber eindringlich an die erforderliche Pause erinnert, als sie ihre Enkelin bei eingeschaltetem Mikrofon um Punkt 13.00 Uhr zum Mittagessen rief. In diesem Moment musste ich unweigerlich an die Mittagessen bei meiner eigenen Oma denken. Meistens gab es Pfannkuchen …

Natürlich kann kein modernes Tool das Miteinander im Hörsaal ersetzen. Aber ich bin begeistert, wie gut meine Studierenden die Situation annehmen und das Beste daraus machen. Durch viele Einzelsprechstunden via Zoom, die ich in der Präsenzzeit niemals in der Masse so anbieten könnte (vermutlich würden sie auch nicht in Anspruch genommen…) und schneller Korrekturen von zugeschickten Falllösungen via E-Mail oder digitaler Sprachnachricht versuche ich meinerseits, den Studierenden etwas zurückzugeben. Zurückzugeben deshalb, weil durch das Engagement meiner Studis (und vieler toller Kolleginnen und Kollegen!) mein anfängliches Trübsal verschwunden ist und ich mich richtig angekommen fühle.

Natürlich hätte mein Berufseinstieg hier besser verlaufen können. Faktisch habe ich die HSPV NRW als lebhafte Hochschule und Ort der persönlichen Begegnung ja noch gar nicht kennengelernt. Aber gerade freue ich mich einfach nur darauf, mich gleich wieder zu meinen Studis in den virtuellen Hörsaal zu zoomen.

Und es macht mir erst recht große Lust darauf, Sie alle bald persönlich kennenzulernen, auch wenn es Pfannkuchen mit meiner Familie dann zumeist wieder nur am Wochenende gibt ….

Ich freue mich auf Sie!

Weitere „Corona-Geschichten“ finden Sie wöchentlich auf der Homepage der HSPV NRW sowie auf unseren Corona-Seiten.