#WirmeisterndieKriseDer ganz normale Wahnsinn

Studienalltag in Zeiten von Corona
Studienalltag in Zeiten von Corona

Ann-Katrin Vengels, Studentin der HSPV NRW am Studienort Mülheim an der Ruhr, berichtet aus ihrem Alltag zwischen Homeschooling, Kinderbetreuung und Online-Studium.

In den vergangenen Jahren habe ich die Frage nach meinem Befinden stets mit den Worten „Der normale Wahnsinn halt“  beantwortet. Und ja, irgendwie ist der Wahnsinn tatsächlich normal geworden. Ich bin Mutter von zwei Kindern, meine Tochter ist 13 und mein Sohn sechs. Seit zehn Jahren bin ich verheiratet. 2019 habe ich mich dazu entschlossen, meinen Beruf aufzugeben und mich weiterzuentwickeln, weshalb ich mich für ein duales Bachelorstudium an der HSPV entschieden habe. Mittlerweile studiere ich im zweiten Studienjahr Polizeivollzugsdienst und bin Kommissaranwärterin.

Mein Ehemann (der inzwischen auch mein Kollege ist) und ich sind über die Jahre zu einem eingespielten Team geworden, das perfekt aufeinander eingestellt ist. Ein großer Pluspunkt, der definitiv eine wichtige Rolle bei meinem Berufswechsel gespielt hat. Als die Kinder schließlich groß genug waren und wir unser Haus gekauft hatten, sprach nichts mehr dagegen, sich beruflich neu zu orientieren – also wagte ich den Schritt. Der Studienplan war natürlich von Vorteil, denn der Verlauf der nächsten drei Jahre war absehbar und planbar. Mit der zugesicherten Unterstützung der Großeltern und der Familie konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen.
Doch dann kamen die vorgezogenen Osterferien im vergangen Frühjahr. Die Einschulung im Sommer schien zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht in Gefahr, denn alles wirkte irgendwie unwirklich und noch nicht besorgniserregend. Doch dann überschlugen sich die Ereignisse: Die Einschulung mit Abstand und Singverbot, der erste Corona-Fall in der Familie, der Vater, den man nicht auf der Intensivstation besuchen konnte, Geburtstage und Weihnachten im engsten Familienkreis – es kam mir vor wie ein Dauerlauf ohne wirkliches Ziel.

Und nun haben wir bereits Februar 2021. Seit gut sechs Wochen sind wir im Lockdown und damit auch im Homeschooling: Grundschule erste Klasse vs. Gymnasium achte Klasse – und nicht zu vergessen der tägliche Kampf um das WLAN. Das Leben hat sich grundsätzlich verändert. Alles wurde umstrukturiert, weshalb viele unserer eingespielten Rituale nicht mehr umgesetzt werden können. Stattdessen werden die Nächte immer kürzer, denn Ruhe zum Arbeiten findet man oft nur noch in der Nacht. Manche Themen lassen auch keine andere Wahl. Die Seminararbeit über Kindeswohlgefährdung zu schreiben, ist zum Beispiel schwer, wenn das eigene Kind gerade mit Begeisterung die Welt der Buchstaben kennenlernt. Oft sind es auch kleine Dinge während der Vorlesungen, die einen aus der Konzentration reißen und die Rolle der Mutter erfordern. Sich anschließend wieder in die laufende Vorlesung einzufinden, ist nicht immer leicht.
An dieser Stelle möchte ich mich gerne bei meinen Dozenten bedanken, denn mir wurde nicht nur viel Verständnis entgegengebracht, durch tolle Gespräche konnte ich auch viele private Einblicke erhalten. Lerngruppen haben sich während dieser Zeit ebenfalls gebildet, denn es wurde schnell klar, dass sich die Motivation gemeinsam schneller finden lässt. Insgesamt gewinnt die Online- Lehre immer mehr an Qualität und das Gefühl der Vertrautheit kehrt langsam zurück.

Immer wieder gibt es Momente, in denen man merkt: Es gibt sie noch, die schöne Seite der Medaille. Unter anderem hat sich still und heimlich ein ganz neues Familienleben gebildet: Meine Tochter und ich haben zum Beispiel das Häkeln für uns entdeckt und hantieren gerne gemeinsam in der Küche – Sushi steht aktuell hoch im Kurs. Außerdem ist es toll, sich von einer 13-Jährigen Vorträge über Lernstrategien anzuhören. Immer häufiger teilen wir unsere Sorgen und ich kann mir einiges von ihr abschauen. Die täglichen Lernerfolge so nah erleben zu können und unmittelbar mitzubekommen, wie zum Beispiel Worte plötzlich einen Sinn ergeben, ist einfach toll und magisch zugleich. Im Großen und Ganzen überwiegt die Dankbarkeit – Dankbarkeit für die Gesundheit und für die Chancen, die wir haben.

Weitere „Corona-Geschichten“ finden Sie wöchentlich auf der Homepage der HSPV NRW sowie auf unseren Corona-Seiten.